Als ich zum ersten Mal auf die Frakturschrift aufmerksam wurde, war ich gerade frisch aus Italien nach Deutschland ausgewandert. Schon als Kind liebte ich Bücher. Neben meinen regelmäßigen Besuchen in Buchhandlungen und Bibliotheken zog es mich auch oft zu Trödelhändlern.

Eines Tages entdeckte ich auf einem Flohmarkt eine ganze Reihe von Goethes Werken. Der Preis war unschlagbar – 50 Cent pro Band – also kaufte ich alle. Beim Aufschlagen der Bücher fiel mir sofort die seltsam geschwungene Schrift auf. Ich fragte mich: Warum sind diese Bücher mit so altmodischen Buchstaben gedruckt?


Was ist die Frakturschrift?

In meiner Recherche fand ich heraus, dass diese Schriftart „Fraktur“ heißt – oder auch deutsche Schrift, heute meist altdeutsche Schrift genannt.

Die Fraktur entstand im frühen 16. Jahrhundert und war über mehrere Jahrhunderte hinweg die wichtigste Druckschrift im deutschsprachigen Raum. Anders als die lateinischen Antiqua-Schriften, die in Frankreich, Italien oder England verbreitet waren, galt die Fraktur als besonders „deutsch“.

Von Bibeln über Zeitungen bis zu Schulbüchern – alles wurde in Fraktur gedruckt. Noch bis weit ins 20. Jahrhundert lernten Kinder in Deutschland lesen und schreiben in dieser Schrift, die heute für viele schwer zu entziffern ist.


Hitler und die Weltherrschaft – das plötzliche Ende der Fraktur

Viele glauben, dass die Nationalsozialisten die Frakturschrift besonders gefördert hätten, weil sie als „urdeutsch“ galt. Tatsächlich war das zunächst der Fall. In den 1930er-Jahren galt die Fraktur offiziell als „deutsche Schrift“.

Doch 1941 kam der Bruch. Ein Erlass von Martin Bormann im Auftrag Adolf Hitlers erklärte die Fraktur plötzlich zur sogenannten „Schwabacher Judenschrift“. Von einem Tag auf den anderen wurde sie aus Schulen, Ämtern und Verlagen verbannt – zugunsten der lateinischen Antiqua.

Der Grund war politisch und pragmatisch: Für Hitlers Expansionspläne wollte man eine Schrift, die international lesbar war. Eine „Weltherrschaft“ ließ sich eben nicht mit einer Schrift verwirklichen, die nur Deutsche entziffern konnten. So verschwand die Frakturschrift nach über 400 Jahren nahezu vollständig aus dem öffentlichen Leben.


Frakturschrift heute – Tradition oder Symbol?

Heute erlebt die Frakturschrift eine kleine Renaissance. In Logos, Buchcovern, Brauereischildern oder Tattoos taucht sie wieder auf – meist als Zeichen für Tradition, Handwerk oder historische Tiefe.

Doch sie ist mehr als nur ein nostalgisches Ornament. Die Fraktur ist ein Stück Kulturgeschichte, das von der Entwicklung der deutschen Sprache, des Buchdrucks und der Bildung erzählt.

Sie steht nicht automatisch für Nationalismus oder Ideologie, sondern für eine Zeit, in der Schrift und Identität eng miteinander verbunden waren.


Fazit

Die Frakturschrift ist ein faszinierendes Kapitel deutscher Geschichte. Sie zeigt, wie eng Sprache, Kultur und Politik miteinander verflochten sind – und wie sich selbst Buchstaben im Lauf der Zeit verändern können.